18.08.2012

Die Fransen-Mordfliege Choerades fimbriata (Meigen, 1820) lebt auch in Niedersachsen

Thomas Meineke


Trotz auffällig kräftigen Körperbaus stehen Raubfliegen (Asilidae) in der entomologischen Beliebtheitsskala nicht viel weiter oben, als die meisten anderen Fliegen-Familien. Jedenfalls rangieren sie mit deutlichem Abstand hinter den charismatischen Schwebfliegen (Syrphidae). Vielleicht mangelt es deshalb an Beobachtungsdaten, die Aufschluss über Bestands- und Arealdynamik der bizarren wie mordlüsternen Insekten geben könnten. So bleibt offen, ob die einst als selten und in Bayern sogar als „ausgestorben oder verschollen” eingestufte (Von der Dunk 2003) Fransen-Mordfliege ihr Areal im Verlauf der zuletzt überdurchschnittlich warmen Jahrzehnte nach Norden ausbreitete - wie viele andere Insektenarten südlicher Provenienz (vgl. Mitteilung zu Polistes bischoffi und Colletes hederae) - oder ob sie in der Vergangenheit schlicht übersehen wurde.

Neugierig geworden durch die stete Präsenz der hübsch goldgelb behaarten Fliegen im Haus- und Versuchgarten identifizierte der Verfasser dieser Zeilen vom 21. Juli bis zum 2. Oktober des Jahres 2011 auf gelegentlichen Kontrollgängen 23 Individuen. Unter den etlichen nicht gefangenen Raubfliegen befanden sich sicherlich weitere. Ein prüfender Blick auf das undeterminierte Sammlungsmaterial zeigte, dass die Art bereits 2007 im Garten auftrat.

Als Sitzwarte nutzten die Raubfliegen stets eine südexponierte Totholzaufschichtung am Rande einer Hasel-Hainbuchen-Baumhecke. Dort ist es besonders warm und am Fuße erstreckt sich eine blütenreiche, magerrasenähnliche Böschung. Potenzielle Beutetiere, darunter vor allem andere Zweiflügler und kleinere Hautflügler, erscheinen hier regelmäßig in lohnender Anzahl. Auch diente der Totholzstapel den Fransen-Mordfliegen als Rendezvous-Platz. In diesem Jahr (2012) zeigen sich die Raubfliegen wiederum am selben Ort mit gleichem Verhalten.

Verbreitung der Fransen-Mordfliege in Deutschland nach Wolff (2012a), ergänzt durch eigene Funde. Die abweichende Punktfarbe hebt den Fundort Ebergötzen in Niedersachsen hervor.

Während Choerades fimbriata in Nord-Hessen und Thüringen bereits vor vielen Jahren nachgewiesen wurde, gibt es bisher offenbar keinen publizierten Fund aus Niedersachsen (Wolff 2012a). Es scheint so, als ob die Mittelgebirgsschwelle derzeit grob die nordwestliche Arealgrenze abbildet (siehe Karte).

Im Haus- und Versuchsgarten zeigt zumindest die erwachsene Mordfliege eine klare Präferenz für trockenwarme Örtlichkeiten. Die Klassifizierung als eine Spezies mit „Bindung an mäßig warme, feuchtere Habitate wie z. B. Laubwälder, gebüschreiche Wiesen o. ä., die aber trockene Offenhabitate weitgehend meidet („Waldart”)” (Wolff [2012b]), kann nach den eigenen Beobachtungen nicht bestätigt werden.

Choerades fimbriata gehört im Vergleich zu den beispielsweise deutlich weiter verbreiteten und im Hausgarten gleichfalls erscheinenden Choerades marginata (Linnaeus, 1758) oder Dioctria hyalipennis (Fabricius, 1794) zu den allenfalls „mäßig häufigen” Raubfliegen (Wolff [2012b]).

Hat man sich mit den kennzeichnenden Artmerkmalen (vgl. z. B. Geller-Grimm 2003) vertraut gemacht, lassen sich auch vor Ort Fransen-Mordfliegen mittels Handlupe eindeutig identifizieren. Besonders den Freunden naturnah gestalteter Gärten sei daher empfohlen, diesen erstaunlich vernachlässigten Insekten mehr Aufmerksamkeit zu widmen, auch oder gerade weil diese nicht das Privileg des gesetzlich verordneten Artenschutzes genießen. Und vielleicht fällt dann ein wenig mehr Licht auf ihre noch weitgehend unbekannte Biologie wie Ausbreitungsgeschichte.

Quellen

Geller-Grimm, F. (2003): Fotoatlas und Bestimmungsschlüssel der Raubfliegen Deutschlands. Halle/Saale. [CD-ROM]

Wolff, D. (2012a): Atlas der Raubfliegen Deutschlands, Version: 4.13.0 - www.asilidae.de/index.htm [aufgerufen am 17.08.2012]

Wolff, D. [2012b]: Rote Liste und Gesamtartenliste der Raubfliegen (Diptera: Asilidae) Deutschlands. I. Fassung, Stand Dezember 2010. Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (2011): 143-164.

 

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