10.09.2010 - aktualisiert am 27.11.2010
Stylopisierte Feldwespen Polistes dominula in Süd-Niedersachsen
Thomas Meineke
Die zumeist als Gallische (oder Französische) Feldwespe bekannte Stechimme Polistes dominula (Christ, 1791)1 unterscheidet sich schon aufgrund ihres gestreckten Körperbaus und der im Flug langen, herunterhängenden Beinen recht gut von unseren beiden häufigeren Echten Wespen Vespula germanica und V. vulgaris. Seit 1985 ist sie im Stadtgebiet von Göttingen und ab 1987 auch im ländlichen Umfeld der südniedersächsischen Metropole regelmäßig zu beobachten. Noch bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts beschränkte sich ihre Hauptverbreitung auf den (westsub-)mediterranen Raum. Gegen Ende des Millenniums begann eine rasante, teilweise vom Menschen unterstützte Ausweitung ihres Verbreitungsgebietes. Es umfasst inzwischen sogar Teile Nord- und Süd-Amerikas, Australiens und Süd-Afrikas (Carpenter 1996, Eardley et al. 2009). Aus älterem Schrifttum lässt sich entnehmen, dass die in mancherlei Hinsicht interessante Faltenwespe von Südwestdeutschland bis zum Rhein-Main-Gebiet schon immer häufig in Erscheinung trat und dass sie offenbar ausgehend von dort wiederholt bis nach Norddeutschland vorstieß. Abseits ihres Arealzentrums fehlte sie über lange Zeiträume oder machte sich ‑ von wenigen Ausnahmen abgesehen – nur sporadisch bemerkbar (Blüthgen 1961, Smissen 1991). Seit nun etwa zwanzig Jahren breitet sie sich jedoch in West- und Mitteleuropa in besonders auffälliger Weise nach Norden aus (Smit 2003, Woydak 2006, Lange 2010). Nicht zuletzt aufgrund der anhaltenden Expansion treffen ihre bisher gebräuchlichen deutschen Namen genau genommen nicht (mehr) zu (vgl. auch Witt 2009). Diese gehen auf den von Carl von Linné (1767) für eine andersartige Feldwespe eingeführten Namen „V[espa]. gallica” zurück. Fast zwei Jahrhunderte lang fand er irrtümliche Anwendung auf die vom Pfarrer Johann Ludwig Christ (1791) wunderschön erzählend beschriebene „V[espa]. Dominula” (Day 1979). Da sie in Mitteleuropa ihr hüllenloses Nest zumeist unter dem Schutze von Dachziegeln anbringt, empfiehlt sich – in freier Übersetzung der wissenschaftlichen Bezeichnung (vgl. Fußnote) – eine Umbenennung in „Haus-Feldwespe”.
Stylopisierte Feldwespen lassen sich aufgrund ihres unförmig erweiterten Leibes und den zwischen ihren Hinterleibssegmenten hervorschauenden Kopfenden der Puparien leicht von äußerlich nicht erkennbar befallenen bzw. gesunden Artgenossen unterscheiden.
Von 270 zwischen dem 6. Juni und dem 27. November 2010 beobachteten Polistes dominula besaßen 47 ein bis fünf sichtbare Xenos vesparum-Puparien (siehe Diagramm).
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1) „Dominula“ bedeutet laut lateinisch-deutschem Handwörterbuch „die junge (liebe) Herrin vom Hause“ (Georges 1913). Da es sich bei der wissenschaftlichen Artbezeichnung also um eine substantivische Apposition handelt, darf die Endung bei Kombination mit einem anderen Gattungsnamen gemäß den Internationalen Regeln für die zoologische Nomenklatur (Kraus 2000) nicht – wie vielfach praktiziert – in dominulus geändert werden.
Zitierte Quellen
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Blüthgen, P. (1961): Die Faltenwespen Mitteleuropas (Hymenoptera, Diploptera). Abhandlungen der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Klasse Chemie, Geologie und Biologie, Jahrgang 1961, Nr. 2: 1-248.
Carpenter, J. (1996): Distributional Checklist of the Species of the Genus Polistes (Hymenoptera: Vespidae, Polistinae, Polistini). American Museum Novitates 3188: 1-39.
Christ, J. L. (1791): Naturgeschichte, Klassification und Nomenclatur der Insekten vom Bienen, Wespen und Ameisengeschlecht; als der fünften Klasse fünfte Ordnung des Linneischen Natursystems von den Insekten: Hymenoptera. Mit häutigen Flügeln. Frankfurt am Main, [535 S. und 60 Tafeln]
Day, M. C. (1979): The species of Hymenoptera described by Linnaeus in the genera Sphex, Chrysis, Vespa, Apis and Mutilla. Biological Journal of the Linnean Society 12: 45-84.
Flügel, H.-J. (2009): Aktuelle Nachweise des Fächerflüglers Xenos vesparum Rossi, 1793 aus Nordhessen. Mitteilungen des internationalen entomologischen Vereins 34: 143-149.
Georges, K. E. (1913): Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch. […] 8. verb. u. verm. Auflage. Hannover, Leipzig.
Kinzelbach, R. K. (1978): Strepsiptera. – In: Die Tierwelt Deutschlands 65. Teil. Jena, 166 S.
Kraus, O. (2000): Internationale Regeln für die zoologische Nomenklatur. Vierte Auflage. Angenommen von der International Union of Biological Sciences. Offizieller deutscher Text. Abhandlungen des Naturwissenschaftlichen Vereins in Hamburg (N. F.) 34: 1-232.
Lange, L. (2010): Wiederbesiedlung Schleswig-Holsteins durch Polistes dominulus (CHRIST, 1791) im Kreis Steinberg (Hymenoptera, Vespidae). Entomologische Nachrichten und Berichte 54: 139.
Linné, C. (1767): Systema Naturae. Tom. I. Pars II. Editio Duodecima Reformata. Holmiae.1327 S. [zuzügl. Index u. Addenda]
Pohl, H.-W. (2004): Phylogenie und Evolution der Fächerflügler (Insecta: Strepsiptera). Habilitationsschrift, Univ. Rostock, 103 S.
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Smissen, J. v. d. (1991): Beitrag zur Bienen- und Wespenfauna des südöstlichen Schleswig-Holstein und des Wendlandes (Hymenoptera: Aculeata). Drosera 91: 93-99.
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Smit, J. & J. T. Smit (2008): Xenos vesparum komt hogerop. Nieuwsbrief Sectie Hymenoptera Nederlandse Entomologische Vereniging 28: 46-47.
Witt, R. (2009): Wespen. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. Vademecum Verlag, Oldenburg, 400 S.
Woydak, H. (2006): Hymenoptera Aculeata Westfalica. Die Faltenwespen von Nordrhein-Westfalen (Hymenoptera, Vespoidea; Vespidae und Eumenidae) (Soziale Papier- und Lehmwespen). Abhandlungen aus dem Westfälischen Museum für Naturkunde 68: 3-133.